Wie ich schon sagte, habe ich nicht die rechte Arbeitskleidung um so ganz vorne bei der Schlammschlacht mithelfen zu können, so stehe ich heute eher ein wenig am Rand nicht zuletzt auch aus purer Verzweiflung über die Ohnmacht und Trostlosigkeit des dritten Tages. Heute empfinde ich die Not noch stärker als die beiden Tage davor.
Während ich so dastehe im Regen vor dem Haus kommt der Opa ein 84 jähriger Mann vom Nachbarhaus auf mich zu. Er fängt an zu sprechen. Ich bin die einzige Ausländerin unter den freiwilligen Helfern und er scheint sich ein wenig für mich zu interessieren. Sein Anblick ist erbärmlich. Ein eigentlich stattlicher älterer Herr, so erfahre ich es später, als er mir ein Bild von sich und seiner Frau zeigt. Er hat die Statur meines Vaters. Nun versucht mit aller Anspannung das Gespräch auf Englisch zu führen. Ich bin zwar mittlerweile fliessend in Japanisch, aber will ihm eine Freude machen und antworte in leicht verständlichem Englisch. Das scheint ihn zu freuen und er fühlt sich gerührt als ich sein gutes Englisch lobe. 40 Jahre war er in einer führenden Position tätig in Tokio und vor 20 Jahren suchte er sich mit seiner Frau diese hübsche Gegend in der Nähe der 250 Kieferninseln als Alterswohnsitz aus und baute dort sein zweistöckiges Haus. Nach den ersten typischen Begrüssungssätzen erzählt er mir, seine dramatische Rettungsgeschichte. Auch er und sein Sohn gehören zu denen, die noch im Unglück „Glück gehabt“ haben. Als der Tsunami auch sein Haus plötzlich erfasste, befand er sich im Erdgeschoss. Das Wasser stieg bis zu über 1,60 m an. Da er schwimmen konnte, schwamm er zur Treppe und sein Sohn der gerade im 2. Stock war, konnte ihn retten. Nun leben die beiden Männer allein im Haus in einem verwahrlosten Zustand. Der Hund ist auch bei ihnen. Ab und zu heult er, irgendwie jämmerlich. Er empfindet wohl auch wie schrecklich alles verwüstet worden ist. Und hier kann ich auch einen Einblick ins Haus haben und bin erschrocken, wie die beiden Männer es hier aushalten. Die Frau ist zur Zeit bei Freunden in einem sicheren Ort untergebracht und will am Wochenende zu Besuch kommen, so erzählt der Opa.
Auch mit dem Sohn komme ich gut ins Gespräch und ich merke wie es den beide gut tut, in ihrer Not jemand zu haben mit dem sie jetzt sprechen können. Das ist heute meine kleine Hilfe, die ich anbieten kann, während die anderen Mithelfer angespannt bei Nieselregen das Nachbarhaus vom Schlamm zu befreien im Begriff sind. Am Ende des Tages ist diese Arbeit auch recht gut geschafft. Das hat nun heute wieder einer Familie geholfen, wenigstens ein wenig die vergammelte Inneneinrichtung zu entsorgen. Wer nicht rechtzeitig sein unbrauchbar gewordenes Hab und Gut an die Strasse stellt, der muss später dafür auch noch viel Entsorgungsgeld extra zahlen, so sagten es mir die Leute. Dann verabschieden wir uns alle auf die höfliche japanische Art. Ich bin irgendwie froh wenigsten einen kleinen Beitrag zur praktischen Hilfe geleistet zu haben.