Samstag, 23. April 2011

7.Teil: Die Schlammschlacht geht weiter...

Wie ich schon sagte, habe ich nicht die rechte Arbeitskleidung um so ganz vorne bei der Schlammschlacht mithelfen zu können, so stehe ich heute eher ein wenig am Rand nicht zuletzt auch aus purer Verzweiflung über die Ohnmacht und Trostlosigkeit des dritten Tages. Heute empfinde ich die Not noch stärker als die beiden Tage davor.
Während ich so dastehe im Regen vor dem Haus kommt der Opa ein 84 jähriger Mann vom Nachbarhaus auf mich zu. Er fängt an zu sprechen. Ich bin die einzige Ausländerin unter den freiwilligen Helfern und er scheint sich ein wenig für mich zu interessieren. Sein Anblick ist erbärmlich. Ein eigentlich stattlicher älterer Herr, so erfahre ich es später, als er mir ein Bild von sich und seiner Frau zeigt. Er hat die Statur meines Vaters. Nun versucht mit aller Anspannung das Gespräch auf Englisch zu führen. Ich bin zwar mittlerweile fliessend in Japanisch, aber will ihm eine Freude machen und antworte in leicht verständlichem Englisch. Das scheint ihn zu freuen und er fühlt sich gerührt als ich sein gutes Englisch lobe. 40 Jahre war er in einer führenden Position tätig in Tokio und vor 20 Jahren suchte er sich mit seiner Frau diese hübsche Gegend in der Nähe der 250 Kieferninseln als Alterswohnsitz aus und baute dort sein zweistöckiges Haus. Nach den ersten typischen Begrüssungssätzen erzählt er mir, seine dramatische Rettungsgeschichte. Auch er und sein Sohn gehören zu denen, die noch im Unglück „Glück gehabt“ haben. Als der Tsunami auch sein Haus plötzlich erfasste, befand er sich im Erdgeschoss. Das Wasser stieg bis zu über 1,60 m an. Da er schwimmen konnte, schwamm er zur Treppe und sein Sohn der gerade im 2. Stock war, konnte ihn retten. Nun leben die beiden Männer allein im Haus in einem verwahrlosten Zustand. Der Hund ist auch bei ihnen. Ab und zu heult er, irgendwie jämmerlich. Er empfindet wohl auch wie schrecklich alles verwüstet worden ist. Und hier kann ich auch einen Einblick ins Haus haben und bin erschrocken, wie die beiden Männer es hier aushalten. Die Frau ist zur Zeit bei Freunden in einem sicheren Ort untergebracht und will am Wochenende zu Besuch kommen, so erzählt der Opa. 
Auch mit dem Sohn komme ich gut ins Gespräch und ich merke wie es den beide gut tut, in ihrer Not jemand zu haben mit dem sie jetzt sprechen können. Das ist heute meine kleine Hilfe, die ich anbieten kann, während die anderen Mithelfer angespannt bei Nieselregen das Nachbarhaus vom Schlamm zu befreien im Begriff sind. Am Ende des Tages ist diese Arbeit auch recht gut geschafft. Das hat nun heute wieder einer Familie geholfen, wenigstens ein wenig die vergammelte Inneneinrichtung zu entsorgen. Wer nicht rechtzeitig sein unbrauchbar gewordenes Hab und Gut an die Strasse stellt, der muss später dafür auch noch viel Entsorgungsgeld extra zahlen, so sagten es mir die Leute.  Dann verabschieden wir uns alle auf die höfliche japanische Art. Ich bin irgendwie froh wenigsten einen kleinen Beitrag zur praktischen Hilfe geleistet zu haben. 

Freitag, 22. April 2011

6. Teil: Dritter Tag im Tohoku Krisengebiet Matsushima

Heute geht die Fahrt wieder in Richtung der Küste der schöne Kieferninseln. Wir wollen einer anderen Familie helfen das Haus aufzuräumen und vom Schlamm zu säubern. Eigentlich ein Unding, denke ich beim ersten Anblick. Ich werde an den Kuhstall meines Opas erinnert, den ich als kleines Kind öfters besuchte. Es stinkt auch so ähnlich.Überall nur Dreck, alles verschlammt und dann noch dieser schlechte Geruch dazu. Ich habe nicht die feinste Nase, aber was ich hier rieche, das ist allemal zu viel auch für mich.  
Nichts desto trotz haben wir Helfer uns entschieden, heute dieser Familie zu helfen. Die Besitzerin des Hauses ist mit ihrer Tochter und dem Neffen da. Sie haben irgendwo in der weiteren Entfernung ein Apartment gemietet und seit 6 Wochen steht das Haus unberührt da. Ihr Mann muss jeden Tag arbeiten und kann sich nicht um sein Haus kümmern. Deshalb helfen wir ihr heute. Zugegeben ich bin nicht darauf eingestellt, mir fehlen die entsprechenden Equippments: wie Spezialmaske und Regenkleidung. So halte ich mich etwas im Hintergrund, versuche aber mit anzupacken, wo ich eben kann. 

Zu allererst werden wir aufgefordert den gesamten Boden nach spitzen Gegenständen, z.B. wie Nägeln und Glas abzusuchen, damit sich niemand verletzt. Danach geht es ans Säubern des Hauses. Er soll schubkarrenweise der bis zu 7 cm hohe schon angetrocknete Schlamm mit Spaten vom Wohnzimmerfussboden gelockert und heraustransportiert werden. Es nieselt heute und ist recht kalt. Das drückt auf die Stimmung. Ich komme mir vor, wie in einer Geisterstadt. Das schlägt mir ehrlich gesagt auf die Stimmung.  Ein trostloser Tag und wieder empfinde ich diese Ohnmacht in all dem Schlamm und Dreck, was kann man da ausrichten?  Wenigstens einer Familie ein wenig helfen, das ist heute unser Ziel. Es ist zwar verrückt, aber vielleicht doch eine kleine Hilfe, hoffe ich. Wer soll diese ganze Gegend von all dem Schutt und Schlamm befreien? So frage ich mich immer wieder. Am vormittag sind wir, d.h.mit mir noch 5 weitere Helfer mit dem Schlammbeseitigen beschäftigt. Am Nachmittag geht es dann ans ausräumen des Inventars. Die Besitzerin nimmt die verwahrlosten und vom Schlamm völlig versifften Gegenstände aus den Regalen und Schränken und stellt sie auf die Fensterbank, natürlich ist kein Glas mehr drin,  dann tragen wir die Sachen zu einem grossen Müllberg gegenüber vom Haus. Es ist fast alles Schrott. Die gesamte Habe einfach nur noch Müll. Wie entsetzlich und trostlos. 
Was wir Menschen alles so ansammeln. Ich gehöre auch zu den Sammlern, meine Eltern hatten in der Kindheitszeit manchmal ihre Mühe mit mir. Jetzt beim Anblick des Unrates, nehme ich mir vor, wenn ich wieder in Nagoya bin meinen Hausrat neu zu sortieren und bald auszumisten, bevor es einmal zu einem unnötigen Ballast wird. Es ist frustrierend, wie nur ganz wenige Dinge, diese Sturmkatastrophe überlebt haben. Der Geldsafe ist wahrscheinlich das wertvollste, was den Hausbesitzern geblieben ist. Vom Koffer, bis zu zahlreichen Büchern, Teppichen, Lampen, Bilder, eigentlich der gesamte Haushalt wird heute vor meinen Augen Stück um Stück jedes Teil einzeln auf den Müll geworfen. Wenn es mir schon so elend dabei geht, wie muss die Besitzerin heute diesen Tag innerlich wohl erleben? Sie zeigt keine Miene auf dem Gesicht, scheint innerlich gefasst, aber das kann täuschen. Die Menschen in dieser Gegend (Tohoku) sind hart im nehmen. Sie zeigen keine Gefühle. Man sagt mir, dass sie schon manche Katastrophen überlebt haben sollen. Dabei verstecken wir uns derzeit alle hinter unseren Gesichtsmasken. Eigentlich hasse ich diese Dinger, aber heute bin ich sogar ein wenig froh, mich dahinter verstecken zu können. 
Spendengelder werden weiter dringend gebraucht. Wer möchte mithelfen?
Vereinigte Deutsche Missionshilfe e.V., Postfach 1305, 27203 Bassum 
(hier bin ich Missionarin) 
Volksbank Syke  Konto-Nr. 12 577 600  BLZ: 291 676 24 
Verwendungszweck: AC029400 Katastrophenhilfe Japan 
BAN: DE33 2916 7624 0012 5776 00      
 BIC: GENODEF1SHR

Donnerstag, 21. April 2011

5. Teil Buddhistische Religion

 Nach einer kleinen Arbeitspause, wo wir Scottische Caramell Candies und Milchdrinks angeboten bekommen, geht der Kampf mit der Schlammbeseitigung weiter. Unterdessen läuft die Oma unentwegt herum, als ob sie etwas suchen würde. Tatsächlich sehe ich sie etwa später andächtig dasitzend. Ich gehe zu ihr hin um herauszufinden, was sie gefunden hat. Ich traue meinen Augen nicht, sie hat eine buddhistische Götzenfigur in ihrer Hand und sucht weiter nach abgebrochenen Einzelteilen. Ich frage neugierig was sie da habe und sie erzählt, dass es eine wertvolle chinesische Gottheit ist. Nicht weit weg davon entdecke ich den dunkelrot brauen Kasten oder besser gesagt, den zu dieser Gottheit gehörenden Hausalter. Als Christ bin ich natürlich wieder eher verwirrt und auch enttäuscht über ihren Fund. Aber das ist halt Japan, ich kenne das Land ja schon seit 20 Jahre und immer wieder stosse ich auf dieselben Merkmale, über 80 % der Japaner sind Buddhisten und Shintoisten, d.h. sie haben ihre eigenen Hausgottheiten, die sie verehren und selbst ihre verstorbenen Familienmitglieder wohnen in Urnen in den Häusern. 

Jetzt auf einmal begreife ich noch einmal wieder neu, warum diese Menschen ihr Haus nicht verlassen können und stattdessen bereit sind, in einer total verschlammten und verdreckten Gegend weiter wohnen zu bleiben. Welch ein Schicksal und welch eine starke innere Gebundenheit an dämonische Mächte diese Japaner zwingt trotz allem auch noch in ihren Häusern auszuhalten, das erahne ich langsam. Aber wo sollen sie auch hin? Es ist eh nicht genug Platz im Land für die vielen heimatlos gewordenen. 
Gegen 17 Uhr haben wir es dann geschafft. Der grösste Teil des Hauses ist vom Schlamm befreit, der Boden wird mit einer Art weissem mehlartigen Sand überstreut, das soll desinfizieren. Nun muss alles erst einmal einige Wochen austrocknen, bevor mit den weiteren Reparaturarbeiten begonnen werden kann. Es müssen Schreiner her, die bereit sind die Häuser zu sanieren. Die Frau kann mir nicht sagen, ob es in der nächsten Zukunft solche Facharbeiter gibt. 
Unsere männlichen Helfer haben sich für heute schon verabschiedet, da kommen wir drei Frauen nochmals ins Gespräch und am Ende frage ich, ob ich noch beten dürfte. Nur unter Tränen kann ich diesmal schweren Herzens ein Gebet sprechen, denn selbst mir fehlen die Worte, bei all dem Elend, was ich heute gesehen habe. Da wo kein Mensch recht trösten kann, stelle ich die beiden Frauen und ihre Verwandten unter den Schutz und Trost des lebendigen Gottes der Bibel. Zum Abschied liegen wir uns weinend in den Armen. Es fällt mir schwer diese von der jüngsten Naturkatastrophe so hart getroffenen Menschen allein zurückzulassen. Wie werden sie die kalte Nacht und Einsamkeit in dieser verwahrlosten und so schrecklich verwüsteten Gegend verbringen? Das ist mir ein Rätsel. Ich würde auf jeden Fall die Flucht vorziehen. Nun wird es auch schon langsam dunkel, und wir Helfer müssen zurück zu unserem Quartier. Ein unvergesslich zweiter trauriger Tag liegt hinter mir. 

4 Teil: Schlammschlacht

Am Nachmittag soll ich im Nachbarhaus mithelfen, Schlamm rauszutragen, den der Tsunami unter das Haus geschwemmt hat. Helfer klettern in den unteren Teil des Hauses und füllen per Hand den schlickigen Schlammdreck in Plastikeimern. Ich bringe dann diese Eimer nach draussen. Ein unangenehmer Geruch liegt mir jetzt noch in der Nase. Mit dieser mühsamen Arbeit sind insgesamt mit mir 5 Helfer den restlichen nachmittag beschäftigt. Aber wir alle können heute wenigstens einer Familie helfen. Sehr sehr wenig, aber doch etwas. 
Beim raustragen der Eimer überkommt mich der elende Anblick, auch um dieses Haus herum ist alles nur Schrott und Müll. Hier wohnen eine 85jährige Mutter mit Tochter und Sohn. Sie erzählen mir, wie dramatisch ihre Rettung war. Nach dem ersten Beben rannte die Tochter schnell nach Hause, ungefähr 10 min entfernt von ihrer Arbeitsstelle um ihre Mutter zu holen. Sie sahen schon das Wasser immer höher steigend, unglücklicherweise stand íhr Haus zwischen einem Fluss und dem Meer, sodass von beiden Seiten die Gefahr des Tsunmis drohte. Es musste alles ganz schnell gehen. Sie schnappte ihre Mutter und beide liefen los, glücklicherweise in die sichere Richtung. Das war nicht selbstverständlich. Wo sollte man jetzt am besten hinlaufen, wo war man sicher? Wie hoch würde die Tsunamiwelle wirklich werden? Es durfte keine Zeit verloren werden, also liefen sie um ihr Leben, das Wasser stand ihnen schon bis zu dem Knöcheln, so erzählte es mir die Oma mit einer noch zitternden Stimme. Dann bogen sie links ab und liefen eine Anhöhe hinauf, das war genau die richtige Reaktion, um ihr Leben in Sicherheit vor dem Tsunami zu bringen. Beide sind dankbar für ihr erhaltenes Leben, trotz all dem Erbärmlichen und Schweren, was ihnen jetzt droht. 

3. Teil: Donnerstag, 21.April: Fahrt nach Higashi Matsushima, in der Präfektur Miyagi. (etwa 25 km entfernt von Sendai)







Am Donnerstag ging es wieder morgens um 7:30 los zur Lagerhalle, wo wir Hilfsgüter raussuchten und ins Auto luden.Was soll man am besten mitnehmen? Was brauchen die Menschen am dringendsten? Wieder packen wir verschiedene Sachen ein, von denen wir meinen, dass die Menschen es jetzt am dringendsten brauchen. 
Danach geht die Fahrt diesmal nach Matsushima. Diese Stadt liegt direkt an der Matsushima-Bucht, der Hauptattraktion der Präfektur. Es handelt sich dabei um eine Bucht mit rund 260 kiefernbedeckten Inseln, 22 km nordöstlich von Sendai. Neben Amanohashidate und Miyajima ist Matsushima eine der Drei schönsten Landschaften Japans – was seine Strände und die nahegelegenen historischen Stätten zu entsprechende Hochburgen des Tourismus gemacht hat, so lese ich es im Nachhinein im Internet nach. 
Doch was uns heute erwartet ist ein Bild des Erschreckens. Ich finde keine Worte. Ich lasse die Bilder sprechen. Der Ort gleicht einem einzigen Müllhaufen, zwar stehen viele Häuser noch, aber alles ist total verschlammt, verdreckt und ein Bild des Grauens. 
Wir fahren direkt vor ein Haus, dessen Besitzer (Herr Takahashi), unser Teamleiter kennt. Heute sollen wir, die freiwilligen Helfer ihm beim Hausputz helfen. Die erste Etage liegt völlig im Schlamm. Heute soll sein Arbeitszimmer ausgeräumt werden. Wir tragen alle Dinge in seinen Garten: Bücher, Möbel, Lampen, Bilder, alles ist unbrauchbar und total verschlammt.
Herr Takahashi bittet mich die Bilder, Porzellanvasen und andere Dinge mit dem Schlauch abzuwaschen und im Garten zum trocknen aufzustellen. Ich tue gehorsam was er sagt und  gebe mir Mühe, diese verdreckten Gegenstände dennoch gut zu behandeln, ihm zu liebe. Denke mir aber im Stillen, ich an seiner Stelle würde alles auf den Misthaufen werfen. Wahrscheinlich hat er viele Erinnerungen an die Gegenstände und es fällt ihm jetzt einfach schwer sich von allem zu trennen. Ein unangenehmer Geruch liegt in der Luft. Heute haben wir noch Glück, das Wetter ist gut und alles kann draussen erledigt werden. Sein Garten aber gleicht einem schlammigen Ackerfeld...und immer wieder beelendet mich der Anblick um sein Haus herum, das er vor 12 Jahren bauen liess und seine Frau ist vor 5 Jahren gestoben. Er konnte es im Unterkunftslager nicht aushalten und hat sich entschlossen zurückzugehen. Die meisten Nachbarhäuser sind derzeit leer, er und nur wenige andere haben sich entschieden in dem Trümmerhaufen auszuhalten. Ich frage mich derzeit, was wohl für mich besser wäre: eine überfüllte Turnhalle, aber warm und trocken oder diese beelendende Gegend. Ich hätte wahrscheinlich die Turnhalle vorgezogen. Im 2. Stock seines Hauses, wo ich die Toilette benutzen darf, wird mir klar, dass er ein sehr ordentlicher Mann ist, der seine Wohnung stilvoll eingerichtet hat. Kein Wunder, dass er wieder hier leben will. Aber mir wäre der schlammbedeckte Garten und die damit verbundene hygienische und bakterielle Verschmutzung viel zu gefährlich. Herr Takahashi will, dass wir später in seinem Garten Mittagessen, wir haben natürlich unsere eigenen Onigiri (Reisballen) und Sandwiches mitgebracht, bzw, unterwegs in einem kleinen Laden gekauft. Herr Takahashi will nicht mit uns Essen, er zieht sich lieber zurück in seinen 2. Stock. Anschliessend serviert er uns Schnellkaffe aus seinen wertvollen Tontassen (eine Kollektion, wie er sagt).

Fortsetzung: 2. Teil: Als freiwilliger Helfer im Krisengebiet. Fünf Wochen nach dem Erdbeben

Nach all dem Erlebten brauchte ich ein wenig innerlich Abstand und machte einen kleinen Gang rund um den Häuserblock, wo wir unser Auto abgestellt hatten. Ich wunderte mich über die vielen Sandsäcke vor den Eingangstüren und beim weiterlaufen entdeckte ich auch plötzlich Häuser, die mitten im Hochwasser standen. Was war das nun? Hatten die Leute nicht schon viel Schlimmes erlebt? Wo kam dieses Wasser nun noch her? Als ich so dastand und am überlegen war, kam der Hausbesitzer mir entgegen und erklärte, dass er und die übrigen Bewohner in diesem Stadtviertel jetzt fünf Wochen danach auch noch mit diesem Problem des ansteigenden Wassers zu kämpfen hätten. Den Grund hab ich nicht ganz verstanden, teils vom Regen oder den verstopften Gullis etc. Auf jeden Fall steht sein erster Stock des Hauses nun bis zu seinen Knien im Wasser. Er selbst lebe derzeit im 2. Stock. Als wir ins Gespräch kamen zeigte er auf seinen Rucksack und scherzte: „Jetzt trage ich meine Frau immer bei mir“. Erst verstand ich nicht recht, was er damit meinte, dann erklärte er: seine Frau sei vor 5 Jahren gestorben und das wichtigste sei für ihn nicht das Bankkonto oder der Ausweis den man in einer bevorstehenden Flucht bei sich trage... sondern die Urne seiner Frau. Weil er nicht wisse, was jetzt noch alles kommen könnte, habe er sich entschlossen, sie bei sich zu tragen. Das gäbe ihm auch Kraft das Alleinsein zu überwinden. Ja, die Japaner haben schon ihre eigenen Ansichten über das Seelenheil und die Beziehung zu den Verstorbenen, von denen sie glauben, dass diese auch nach dem Tod weiterleben. 
Es fiel mir nicht leicht, diese Leute mit ihrem Kummer, ihrer Not und dem alleingelassen sein in ihrer hilflosen Situation zu verabschieden. 

Mittwoch, 20. April 2011

"Als freiwilliger Helfer ins Erdbebengebiet"


Am Dienstag 19. April fuhr ich mit dem Nachtbus nach Sendai. Ankunft morgens um 7:10 Uhr. Am Zielort angekommen, ging die Autofahrt sofort weiter in eines der Krisengebiete: Ishinomaki. Auf dem Weg fuhren wir am grossen Materiallager vorbei und packten unseren Bus voll mit Kisten gefüllt mit Wasser, Lebensmitteln: wie Gemüse, Instant- Cup-Nudeln, Reis, Suppen, dann auch Kleider aller Art für Männer, Frauen, Kinder, Baby, Kinderbücher, sowie tägliche Dinge wie Toilettenpapier, Taschentücher, etc...dann ging die Fahrt über holprige von den Beben stark beschädigten Strassen weiter nach Ishinomaki, um die Sachen an notbedürftige Japaner weiterzugeben.
Diesmal fahren wir nicht zu den Sammellagern, denn die Menschen dort werden derzeit regelmässig mit Essen und dem nötigen täglichen Bedarf versorgt, aber es gibt viele, die in ihren Häusern überlebt haben, nun aber keine Möglichkeit haben etwas einzukaufen. Da auch die Geschäfte in ihrem Ort zerstört wurden.
Auf der Fahrt zum ersten Zielort erwartet uns ein Bild des Entsetzens. Ich finde keine Worte, lasse hier einige Bilder sprechen. Alles rund um Müll, im Schlamm, den der Tsunami angespült hat ist alles verdreckt. Ein Bild des Grauens, wie nach dem Krieg.
Welch eine Verwüstung? Einfach unvorstellbar? 
Am ersten Zielort angekommen, klingeln wir an den Häusern und schon bald kommen die ersten Leute zu unseren Bussen und schauen, was wir mitgebracht haben. Dankbar nehmen sie die Waren in Empfang. Es begegnen mir jedoch traurige und verängstigte Gesichter. Als wir aber einige Luftballons und Süssigkeiten an Kinder verteilen, kommt ein Lächeln in ihrem Gesicht auf. Als ich einigen Leuten helfe die Waren in ihre Häuser zu tragen, sehe ich wie verlottert und ärmlich ihr Zuhause geworden ist. Sie wurden zwar vom Tsunami verschont, aber dennoch sind viele Sachen vom starken Erdbeben und manchen Nachbeben zerstört worden und liegen kaputt im Hof herum.
       Kinderlächeln  „Wer andern eine Freude macht wird selbst beschenkt!"
  Es macht mich an diesem Tag ein wenig glücklich zusehen, wie diese Notdürftigen mit ihren vollen Taschen nach Hause gehen. Eine kleine Freude an diesem ersten Tag. Dann fuhren wir noch zwei weitere Stellen an und erlebten ähnliches: zuerst Zurückhaltung, Zögern, Unsicherheit doch dann kommt eine Freude auf über die geschenkten Sachen. Ich werde an da Wort erinnert: „Geben ist seliger als nehmen!“

Sonntag, 17. April 2011

Danke für die vielen Spenden

Hallo ihr lieben Geschwister und Freunde!
Hier melde ich mich wieder mit einem allgemeinen Rundschreiben.
Zunächst einmal möchte ich Euch allen ein ganz herzliches Dankeschön sagen für die viele Anteilnahme, Eure treuen Gebete und die grosszügigen Spenden. Es sind schon über 28.700 Euro bei meiner Missionsgesell-schaft der VDM in Bassum aus 186 Einzel- und Sammelspenden eingegangen. Vielen, vielen Dank dafür. Am liebsten würde ich mich bei jedem Einzelnen bedanken wollen. Die Spenden stammen aus ganz Deutschland, von Nord bis Süd. Und besonders aus meiner Heimatgemeinde Bremen und Umgebung aber auch aus Schopfheim, meinem Geburtsort haben viele Freunde gespendet, herzlichen Dank an Euch alle. Der Herr vergelte es Euch reichlich.  
Das ist im Moment das allerbeste was ihr von Deutschland aus tun könnt. Und diese Botschaft und Ermutigung kommt bei den Japanern an. Sie sagen mir immer wieder, dass sie dankbar sind auch für alle Mithilfe aus dem Ausland. Sie wissen, dass sie jetzt nicht alleingelassen sind mit der noch katastrophalen Situation. 
Es sind bereits über vier Wochen vergangen seit dem schweren Erdbeben mit der darauf folgenden bis zu 16 m hohen Tsunamiwelle in Nordjapan. Noch immer stehen uns die schrecklichen Bilder vor Augen. Die Aufräumarbeiten sind weiterhin voll im Gange. Die Hilfstrupp arbeiten jeden Tag mit viel Überstunden. Die Menschen aus der gesamten Krisensitution sind stark überbelastet und überfordert mit allem. Viele haben noch keine Hoffnung und leiden sehr unter Angst. Wie ihr wisst sucht man noch immer nach Vermissten. Das ist wohl neben den Arbeiten an den AKW´s die zur Zeit schwierigste Aufgabe weiter im verstrahlten Gebiet und unter den Trümmern Stück für Stück nach Leichen zu suchen. Was für eine deprimierende Aufgabe. Und die vielen heimatlos gewordenen Menschen in den Flüchtlingslagern müssen weiter versorgt und seelsor-gerlich betreut werden. Die Hilfsorganisationen auch hier von Nagoya schicken weiter Lebensmittel und Hilfsgüter mit Lastwagen hin. Am vergangenen Samstag hab ich selbst mitgeholfen, Hilfsgüter zu sortieren und auf den Lastwagen aufzuladen. Es ist ein gutes und ermutigendes Zeichen, dass die verschiedenen Gemeinden und Christen vor Ort zusammenarbeiten.
Daneben hat mein Schulalltag wieder begonnen und da merke ich, wie mir nun die Zeit um schreiben und informieren fehlt. Aber nächste Woche vom 19. bis zum 25. April werde ich  als „Freiwilliger Helfer“ nach Sendai fahren um von dort aus verschiedene Krisengebiete zu besuchen und mitzuhelfen. Mit Rucksack, Schlafsack und Schurz geht´s mit dem Nachtbus, einer zehn stündigen Autofahrt dort hin. Im Moment erhalte ich die neuesten Informationen genauso wie ihr über die Tagesnachrichten. Aber wie ist die Situation wirklich? Was haben die Leute da an Schrecklichem erlebt? Wie hat sich ihr Leben seit dem 11. März verändert? Das will ich selbst ein wenig herausfinden! Und auch sehen, wo wir noch gezielter mithelfen können. Danke, wenn ihr mit dafür betet. 

Erdbebensicher! gibt es das?

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Pray for Japan!