Freitag, 22. April 2011

6. Teil: Dritter Tag im Tohoku Krisengebiet Matsushima

Heute geht die Fahrt wieder in Richtung der Küste der schöne Kieferninseln. Wir wollen einer anderen Familie helfen das Haus aufzuräumen und vom Schlamm zu säubern. Eigentlich ein Unding, denke ich beim ersten Anblick. Ich werde an den Kuhstall meines Opas erinnert, den ich als kleines Kind öfters besuchte. Es stinkt auch so ähnlich.Überall nur Dreck, alles verschlammt und dann noch dieser schlechte Geruch dazu. Ich habe nicht die feinste Nase, aber was ich hier rieche, das ist allemal zu viel auch für mich.  
Nichts desto trotz haben wir Helfer uns entschieden, heute dieser Familie zu helfen. Die Besitzerin des Hauses ist mit ihrer Tochter und dem Neffen da. Sie haben irgendwo in der weiteren Entfernung ein Apartment gemietet und seit 6 Wochen steht das Haus unberührt da. Ihr Mann muss jeden Tag arbeiten und kann sich nicht um sein Haus kümmern. Deshalb helfen wir ihr heute. Zugegeben ich bin nicht darauf eingestellt, mir fehlen die entsprechenden Equippments: wie Spezialmaske und Regenkleidung. So halte ich mich etwas im Hintergrund, versuche aber mit anzupacken, wo ich eben kann. 

Zu allererst werden wir aufgefordert den gesamten Boden nach spitzen Gegenständen, z.B. wie Nägeln und Glas abzusuchen, damit sich niemand verletzt. Danach geht es ans Säubern des Hauses. Er soll schubkarrenweise der bis zu 7 cm hohe schon angetrocknete Schlamm mit Spaten vom Wohnzimmerfussboden gelockert und heraustransportiert werden. Es nieselt heute und ist recht kalt. Das drückt auf die Stimmung. Ich komme mir vor, wie in einer Geisterstadt. Das schlägt mir ehrlich gesagt auf die Stimmung.  Ein trostloser Tag und wieder empfinde ich diese Ohnmacht in all dem Schlamm und Dreck, was kann man da ausrichten?  Wenigstens einer Familie ein wenig helfen, das ist heute unser Ziel. Es ist zwar verrückt, aber vielleicht doch eine kleine Hilfe, hoffe ich. Wer soll diese ganze Gegend von all dem Schutt und Schlamm befreien? So frage ich mich immer wieder. Am vormittag sind wir, d.h.mit mir noch 5 weitere Helfer mit dem Schlammbeseitigen beschäftigt. Am Nachmittag geht es dann ans ausräumen des Inventars. Die Besitzerin nimmt die verwahrlosten und vom Schlamm völlig versifften Gegenstände aus den Regalen und Schränken und stellt sie auf die Fensterbank, natürlich ist kein Glas mehr drin,  dann tragen wir die Sachen zu einem grossen Müllberg gegenüber vom Haus. Es ist fast alles Schrott. Die gesamte Habe einfach nur noch Müll. Wie entsetzlich und trostlos. 
Was wir Menschen alles so ansammeln. Ich gehöre auch zu den Sammlern, meine Eltern hatten in der Kindheitszeit manchmal ihre Mühe mit mir. Jetzt beim Anblick des Unrates, nehme ich mir vor, wenn ich wieder in Nagoya bin meinen Hausrat neu zu sortieren und bald auszumisten, bevor es einmal zu einem unnötigen Ballast wird. Es ist frustrierend, wie nur ganz wenige Dinge, diese Sturmkatastrophe überlebt haben. Der Geldsafe ist wahrscheinlich das wertvollste, was den Hausbesitzern geblieben ist. Vom Koffer, bis zu zahlreichen Büchern, Teppichen, Lampen, Bilder, eigentlich der gesamte Haushalt wird heute vor meinen Augen Stück um Stück jedes Teil einzeln auf den Müll geworfen. Wenn es mir schon so elend dabei geht, wie muss die Besitzerin heute diesen Tag innerlich wohl erleben? Sie zeigt keine Miene auf dem Gesicht, scheint innerlich gefasst, aber das kann täuschen. Die Menschen in dieser Gegend (Tohoku) sind hart im nehmen. Sie zeigen keine Gefühle. Man sagt mir, dass sie schon manche Katastrophen überlebt haben sollen. Dabei verstecken wir uns derzeit alle hinter unseren Gesichtsmasken. Eigentlich hasse ich diese Dinger, aber heute bin ich sogar ein wenig froh, mich dahinter verstecken zu können. 

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